Buchbesprechung: Der Gemeinschaftskompass. Eine Orientierungshilfe für kollektives Leben und Arbeiten.

18.06.2021 von Annedore Hof (stattVilla)

Eva Stützel: Der Gemeinschaftskompass; eine Orientierung für kollektives Leben und Arbeiten; oekom Verlag 2021, 24€

Eva Stützel hat das Ökodorf Sieben Linden 1993 mit aufgebaut und mehr als 50 Wohnprojekte und Lebensgemeinschaften in ihrem Gemeinschaftsprozess beraten und begleitet.

Ein Kompass zeigt eine Richtung an. Die Schritte in diese Richtung werden von Eva Stützel  aus der Praxis und für die Praxis aufgezeigt. Die ethische Grundlage des Buches ist die Achtsamkeit: gegenüber sich selbst, gegenüber anderen, gegenüber der Welt. Das Miteinander von Individuum und Gemeinschaft ist der zentrale Aspekt des Buches. Um dieses Ziel zu erreichen, beschreibt Eva Stützel sieben Aspekte:

Individuum und Gemeinschaft – Intension – Struktur – Praxis – Ernte – Welt

Diese Aspekte sind der Kern des Buches. Sie sind wichtig, um gemeinschaftliche Projekte zu beginnen und dauerhaft umzusetzen.

In einem weiteren Kapitel werden Bezüge zu anderen Modellen gemeinschaftlicher Projekte und Theorien hergestellt. Im Anhang steht das Beispiel für einen Schlichtungsvertag im Umgang mit Konflikten und es werden Informationen zum Kleinanlegerschutzgesetz, Prospektpflicht und unerlaubte Bankgeschäfte gegeben. Am Ende ihres Buches fordert Eva Stützel die LeserInnen in einem Fragbogen zur Standortbestimmung ihre Gemeinschaft anhand der sieben Aspekte des Gemeinschaftskompasses auf.

Das Buch ist eine Bereicherung für das Zusammenwohnen und Zusammenleben in einer Gemeinschaft, in der die Mitglieder sich bewusst sind, dass das „Gemeinschaftsleben ein lebenslanger Crashkurs in persönlichem Wachstum“ bedeutet.  Es ist eine Goldgrube für alle, die die ethische Grundhaltung „Achtsamkeit“ in der einfühlsamen Darstellung und der positiven Betrachtungsweise erkennen. Es ist befreiend, wenn „das schöne Zusammenwohnen und Miteinanderwohnen“ anerkannt wird. Es ist ermutigend zu lesen: „Die Intention, mit der das Projekt gestartet ist, macht das Projekt einzigartig und besonders.“ Oder: „Jedes Projekt hat Strukturen, selbst wenn gar keine festgelegt sind“.

Die vielen, sehr klar dargestellten Methoden, die die Ausführungen unterstützen und sehr gut durchgeführt werden können, machen das Buch zu einem Praxisbuch. Die farbigen Methodenseiten, die Grafiken, die oft witzigen Illustrationen schaffen ein Lesevergnügen.

Dieser Kompass ist für alle geeignet, die sich auf den Weg machen, eine Gemeinschaft zu finden und ein Wohnprojekt zu planen. Damit neben den Fragen zur Architektur, der Rechtsform, den Finanzen die Pflege der Gemeinschaft von Anfang an mit Bedacht gedacht wird. Aber spätestens nach dem Einzug und der Euphorie des Umzugs in ein neues leben wird die Frage „Wie wollen wir unsere Gemeinschaft lebendig erhalten?“ gestellt werden. Und nicht zuletzt ist der Gemeinschaftskompass eine Orientierungshilfe für die, die müde geworden sind in ihren Projekten, in Routine erstarrt sind, sich auseinandergelebt haben, in ihren Konflikten verharren. „Denn wenn wir uns bewusst sind, dass auch heftige Konflikte und das Nichtwissen, wie es weitergehen soll, nur eine Phase ist, trägt es dazu bei, den Mut nicht zu verlieren und im Kontakt zu bleiben.“