Die Netzwerk-Broschüre (2. Auflage 2016) enthält ein 40-seitiges Kapitel mit dem Titel „Gesammelte Erfahrungen – von A wie Abstimmung bis Z wie Zusammenleben“. Eine große Zahl von Mitgliedern von Projektgruppen sowie vor allem von Bewohner:innen von realisierten Projekten haben ihre Erfahrungen zu sehr unterschiedlichen projekt-relevanten Themen zusammengestellt. Es sind in der Regel sehr subjektive Darstellungen, die aber gleichwohl für die meisten Projekte nach wie vor von Bedeutung sein dürften.
Abstimmung
Jürgen Wefelmeyer (stattVilla), 2012
Mit dem Einzug in unser gemeinsames Haus fanden wir nach kurzer Zeit eine von allen akzeptierte Vorgehensweise: Schon in der Einladung zur Hausversammlung werden die zu entscheidenden Themen präzise formuliert und strukturiert; zusätzliche Informationen/Erläuterungen werden dazu gestellt, so dass sich das Mitglied rechtzeitig einen Überblick über die Themen beschaffen kann. Vor einer Abstimmung wird der zu entscheidende Inhalt in Textform vorgelesen, was auch zur Klarheit der Meinungsfindung beiträgt. Zur Abstimmung kommt es aber überhaupt erst, wenn Einigkeit darüber besteht, dass die „Opposition“ mit dem Mehrheitsbeschluss, wenn er denn herbei geführt wird, anschließend leben kann. In unserer Wohngemeinschaft haben wir den einmaligen Vorgang gehabt, deshalb berichte ich hier darüber, dass wir ein einzelnes Mitglied aus Zeitmangel und weil wir genervt waren, überstimmt haben, ohne diesem Mitglied ausführlich zugehört oder gar ausreichend unsere Meinung dargelegt zu haben. Erst Tage später haben wir alle zusammen dieses Vorgehen analysiert und beschlossen, einen Mehrheitsbeschluss erst dann umzusetzen, wenn die „Opposition“ diesen Beschluss auch mittragen kann.
Wird ein solch nachhaltiger Konsens nicht erreicht, muss bei uns ein neues, ein anderes Abstimmungsziel formuliert und angestrebt oder jenes gar in letzter Konsequenz verworfen werden. Ich bin mit der Diskussionskultur und dem gegenseitigen Respekt, den wir untereinander trotz verschiedener Meinungen tragen, sehr zufrieden und froh darüber, dass wir den langen Weg zu diesem Ziel mit Ausdauer und Anstrengung gefunden haben.
Aller Anfang ist schwer
Gerhild Lenzen (Wohnprojekt Heisenbergweg), 2012
Eine Gruppe, die entschlossen war, nicht nur über „gemeinsames Wohnen“ zu diskutieren, sondern es auch auf den Weg zu bringen. Menschen, die ihre Energie und Arbeitskraft für dieses Projekt einsetzen wollten, die entscheidungsfreudig und kompromissfähig waren. Von der Gruppe ist in der Anfangsphase die ganze Kraft ausgegangen: Einige bereiteten die Gruppensitzungen vor, andere spezialisierten sich auf die öffentliche Werbung in Kindergärten, wieder andere suchten nach Informationen zu Baumaterialien, etc. Für einen guten Start, so ist unsere Erfahrung, braucht das Projekt eine Gruppe gut kooperierender Menschen, die sich verstehen und die ihr Ziel gemeinsam formuliert haben.
Ines Olders (Wohnprojekt Ost), 2016
Im Sommer lebe ich auf, als Rheinländerin genieße ich das Sommerpalaver: Kinder, die auf der Straße spielen, grüßen, winken, Hunde, die fleißig bellen, Nachbarn, die Rasenmäher und andere Gartengeräte knattern lassen… mir ihre Heckenschere leihen, vom Maulwurf erzählen oder dem nächsten Nachbarn.
Im Winter fallen die Türen zu. Und mein Berufsleben mit all seinen Begegnungen, Gesprächen, gemeinschaftlichen Aktionen – Palaver eben – habe ich auch hergeben müssen. Ich weiß, dass mich alle Marktgänge: Siggi-Markt, Ost-Markt, Marktkauf … nicht satt machen werden (jetzt weiß ich auch, warum Rentner und Pensionäre ausgerechnet samstags – wenn alle Geschäfte überfüllt sind – einkaufen gehen. Ich mit!) und dass ich etwas ändern muss.
Ja: Wenn die Menschen aus meinem Leben rausgehen, muss ich ihnen wohl hinterherlaufen. Und dieser Lauf führte mich auch endlich in die Bürgerwache, mitten in eine Menschengruppe, die darüber nachdachte, philosophierte, träumte, dass und wie Mensch zusammenleben möchte, will, kann: Nachbarschaftlich, solidarisch, zuversichtlich … heiter bis wolkig – und palavernd eben.
Arbeitsteilung
Marita Schnier (Die Hausgemeinschaft im Pauluscarrée), 2012
Architektur für Wohnprojekte
Annedore Hof (stattVilla), 2016
Ich beginne mit dem Standort für das Haus. Wir erleben, wie wichtig er uns geworden ist durch seine Nähe zu
• dem öffentlichen Nah- und Fernverkehr,
• Einkaufsmöglichkeiten,
• Sport- und Freizeitaktivitäten,
• Bildungseinrichtungen,
• grünen Zonen.
Architektur ist Baukunst. Architekten sind Baukünstler. Sie können das Einerlei des Geschosswohnungsbaus kreativ verändern – egal ob es sich dabei um Miet-, Eigentums- oder Genossenschaftsprojekte handelt. Sie können die Idee des gemeinschaftlichen Wohnens im Außen und Innen sichtbar werden lassen. Das beginnt schon mit dem Eingang. Bei uns ist er zwar kein Minimaleingang, der sich zwischen Gebüsch und Autos versteckt, doch er hat nicht die Beachtung des Baukünstlers gefunden, die wir ihm geben wollten. Großzügig sollte er sein, auffallend auch in der Farbe, mit Platz für eine Bank vor der Haustür: einfach einladend!
Für neue Formen des Zusammenlebens – die eine Kultur des Teilens einschließt – schafft der Architekt Räume, Orte, Plätze. Bei uns sind das: ein Gemeinschaftsraum mit Küche, ein großes Treppenhaus, Laubengänge, ein Kellerlädchen, ein Geräteraum, die Waschküche, der Wellnessbereich und der Garten. Der Innenhof, den wir uns sehr gewünscht haben, wartet noch auf seine Bestimmung. Noch ist er kein Treffpunkt. Die darunterliegende Tiefgarage macht eine Baumbepflanzung nicht möglich; Akustik und Einsicht in den Hof stören viele Bewohner der umliegenden Häuser. Es ist also wichtig, bereits in der Planungsphase herauszufinden, was außerhalb des Hauses möglich ist: ein Quartiersplatz, ein Gemüsegarten, eine Obstbaumwiese – oder eben ein funktionaler Innenhof.
Welche Dinge und Räume können dem Sharing übereignet werden, damit mehr Raum für das eigentlich Wichtige bleibt? Diese Frage hat uns vor dem Einzug sehr häufig beschäftigt. Auch nach vier Jahren stellen Mitbewohnerinnen und Mitbewohner fest, dass es noch ungenutzten Raum, ungenutzte Geräte, ungenutzte Möbel in unseren Privatwohnungen gibt, von denen wir uns befreien könnten. Wenn wir uns selbst im Einklang mit der gesellschaftlichen Entwicklung befinden, dann könnte die Tendenz zur Digitalisierung des Alltagslebens in zukünftigen Wohnprojekten dazu beitragen, eine “elektronische Entleerung” für Wohnräume einzuleiten und den Quadratmeterfetischismus zu bezwingen. Architekten von Wohnprojekten sind vor die Aufgabe gestellt, Räume für Begegnung und Kommunikation zu schaffen, aber auch für den Rückzug. Der Auftrag an sie und an die Gruppen lautet: Diese Räume noch entschlossener zu organisieren, die einen noch geborgener, die anderen noch einladender.
Angemessene Raumgrößen herauszufinden ist allerdings schwierig.
• Die Wohnungsgrößen für das Private geraten schnell zu groß. Für einen privat genutzten Raum halte ich eine Minimalgröße von acht qm für noch vertretbar, nachdem ich gelernt habe, in einem Arbeitszimmer von sechs qm zu arbeiten und das oft nicht alleine. Eine Abstellkammer oder eine Nische für einen Abstellschrank braucht nach unseren Erfahrungen jede Wohnung.
• Für die gemeinschaftlich genutzten Räume muss die Gruppe selbst ihre Prioritäten bestimmen und auch entscheiden, welche Maße den gemeinschaftlich genutzten Funktionsbereichen zugestanden werden sollen.
Zum Schluss zitiere ich Niklas Maak, der in seinem Buch „Wohnkomplex, warum wir andere Häuser brauchen“ in Bezug auf gemeinschaftliche Projekte viele Beispiele aus Japan beschreibt. Die japanische Architektur, „die die festgefügte Isolation des Privaten überwindet, ohne die Kernzone des Intimen aufzugeben“, kostet weniger, macht freier. „Sie lenkt den Blick auf den öffentlichen Raum. Vor allem aber wird ein entspanntes, kollektives Leben erprobt“ (Maak, Wohnkomplex, S.201).
Auswahl der Mitbewohnerinnen und Bewohner
Dietlind Wild (Wohnprojekt Heisenbergweg), 2012
Ein weiteres Auswahlkriterium war das Geschlecht. Es war uns wichtig, dass auch einige Männer im Projekt wohnen. Auch wenn sie in der Minderzahl sind, ist doch eine gut gemischte Wohngruppe entstanden: 15 Frauen, 8 Männer (ein Jugendlicher kann inzwischen dazu gezählt werden!) und 8 Kinder, davon 2 noch nicht im Schulalter.
In der Beantwortung der weiteren Frage: „Habt ihr denn auch Leute abgelehnt?“ bin ich unsicher. Wer mir einfällt, sind „alleinstehende Frauen über 50 aus pädagogischen Berufen“. Das war nämlich die größte Gruppe von Interessentinnen, die selbstverständlich im Projekt vertreten sind, aber eben durch die „Quoten“ begrenzt. Mit einem interessierten Paar gab es einen längeren Kennlern- und Diskussionsprozess, da in der Gruppe Unsicherheiten darüber bestanden, ob wir gut miteinander auskommen würden. Letztlich haben sich dann die BewerberInnen gegen das Projekt entschieden, was aber – das muss der Ehrlichkeit halber gesagt werden – eine Folge unseres Zögerns war.
Barrierefrei, behindertengerecht
Ute Schulz (Wohnprojekt Heisenbergweg), 2012
Bausachverständiger
Lucie von Arnim u. Marion Bickmeier (Die Hausgemeinschaft im Pauluscarée), 2016
Rückblickend raten wir jedem, der bauen möchte, frühzeitig die Baubeschreibung und die unterschiedlichen Bauabschnitte professionell begutachten zu lassen. Wir sind jedenfalls froh, dies getan zu haben und möchten uns auf diesem Weg ausdrücklich bei Herrn Lampe vom VPB für die hilfreiche und fachkundige Begleitung bedanken!
Café
Ute Schulz (Wohnprojekt Heisenbergweg), 2016
Dachorganisationen
Annedore Hof (stattVilla), 2016
„Der Fokus liegt auf der Zukunft des Wohnens im Alter“ (homepage fgw). Der „Wohnbund“ in Bochum ist eine nordrheinwestfälische Besonderheit (www.wbb-nrw.de). Er hat nicht nur Angebote wie die des Forums in seinem Programm, sondern er ist auch verantwortlich für den jährlichen Wohnprojektetag NRW. Außerdem ist die Stadtentwicklung eins seiner Schwerpunktthemen. In Bielefeld hat der Wohnbund Konzepte zur Stadt- und Stadtteilentwicklung erarbeitet. Er bietet zahlreiche Publikationen an. Besonders sei hier auf den ‚Wohnprojekttourismus’ des Wohnbundes hingewiesen: Per Bus oder Fahrrad werden verschiedene Wohnprojekte in einer Region besucht.
Delia von Pflug (Bielefelder Beginenhöfe e.V.), 2016
Dokumentation
Dieter Lenzen (Wohnprojekt Heisenbergweg, 2012
Eine Sammlung von Beschlüssen und Vereinbarungen anzulegen, das kann ein weiterer Dokumentationsbeitrag sein. Wir haben ihn, zugegeben, erst ziemlich spät übernommen und zu zweit. Zu einem Zeitpunkt, als es schon fast zu spät war, als wir uns manchmal schon nicht mehr genau daran erinnern konnten, was wir zu diesem oder jenem Thema einmal vereinbart hatten. Eine solche Beschluss- Sammlung hilft Zeit zu sparen!
Was wir zu Beginn einmal geplant, leider aber nie realisiert haben, das ist ein Bautagebuch. Es kann, den gesamten Bauprozess begleitend, von einer/ einem einzelnen geführt werden oder auch reihum. Es enthält Fotos und Notizen, alltägliche Beobachtungen, Anschriften. Ein Tagebuch zum Bauprozess sozusagen.
Ute Schulz (Wohnprojekt Heisenbergweg), 2012
Eigenarbeit
Gerhild Lenzen (Wohnprojekt Heisenbergweg), 2012
Wir haben dann in einer Pause alle zusammen gegessen, zusammen mit den „Handwerkern“ und den „Versorgern“, ein schönes Gemeinschaftsgefühl!
Die Leute aus unserem Wohnprojekt bringen sich –unabhängig von den Fähigkeiten- unterschiedlich ein, je nach ihrer zur Verfügung stehenden Zeit. Trotzdem herrscht keine Unzufriedenheit oder Groll gegenüber denen, die weniger tun. Bis jetzt haben alle Eigenarbeiten super geklappt, sie haben Spaß gemacht.
Feste und Feiern
Dietlind Wild (Wohnprojekt Heisenbergweg), 2012
Förderung
Annedore Hof (stattVilla), 2016
Garten
Annedore Hof (stattVilla), 2012
Manche Vermieter wissen, dass die Identifikation mit der Wohnung auch über die Bepflanzung der Freiräume stattfindet und die Kommunikation zwischen den Mietparteien erleichtert. Sie ermöglichen den Kauf von Pflanzen zu einem symbolischen Preis und nennen das „Investitionen für die Seele“. Bei uns in der stattVilla sind die Balkone die Orte, auf die wir unsere Blumen und Kräuter tragen aus unseren alten Wohnungen und Gärten. Manchmal sind wir freudig überrascht, wie gut sie auf der neuen Fläche mit neuem Blick aussehen und sich ohne Schwierigkeiten den Verhältnissen anpassen, ja sogar noch kräftiger und größer werden. Aber von einigen müssen wir uns auch verabschieden, weil sie sich wehren gegen die begrenzte Fläche. Wir halten nach neuen Ausschau, lassen uns beschenken mit Sommerflieder, Rosen und Levkojen für unsere ganz persönlichen und individuellen Balkone.
Aber ein Balkon ist kein Ersatz für den Gemeinschaftsgarten. Jedem gemeinschaftlichen Wohnprojekt wünsche ich einen Garten. Das Stück Brachland, das wir zur Bearbeitung zur Verfügung gestellt bekommen haben, hat uns auf irgendeine Art und Weise alle beschäftigt und unseren Garten entstehen lassen. Wir haben gegraben, Pflanzen besorgt, Pflanzen vorgezogen, gepflanzt, gejätet, Wege angelegt, gemulcht und immer wieder jeden Fortschritt begutachtet. Und jetzt, wo die Rosen blühen, die Stauden wachsen und schon ihre zweite Blüte tragen, die Kräuter duften und auch das Unkraut sich immer wieder seinen Weg dazwischen sucht: Jetzt haben wir es geschafft, dass der Garten – nicht eingezäunt und mit einem schönen Mulchweg durch das Beet – für alle ein Anblick der Freude ist und dazu anregt, darüber ins Gespräch zu kommen. Unser Garten verbindet.
Und in Zukunft wollen wir dem Apfelbäumchen noch Kameraden geben. Denn eine Obstbaumwiese oder auch nur einige Obstbäume sind nicht nur zum Anschauen da, sondern die Früchte der Bäume können geerntet, verarbeitet und gemeinsam verzehrt werden: als Marmelade, Kompott, Kuchenbelag u.v.m. – Fazit: kein gemeinschaftliches Wohnen ohne ein Stück Gemeinschaftsgarten mit mindestens zwei Obstbäumen oder Beerensträuchern.
Gemeinschaft
Fabian (stattVilla), 2012
Irgendwann ist bei den meisten Jugendlichen der Zeitpunkt im Leben gekommen, ab dem sie regelmäßig in Discos und auf Partys gehen. Und was wird dort kleidertechnisch erwartet? Richtig, zumindest ein Hemd, und das auch noch frisch gebügelt! Und es ist nun mal so, dass es nicht viele Menschen gibt, die großen Spaß am Bügeln haben. Und leider muss ich sagen, dass meine Mutter nicht zu dieser Gruppe der mit Spaß Bügelnden gehört. Was nun? Natürlich, ich darf meine Hemden selber bügeln! Da bricht schon mal Hilflosigkeit bei einem 18-jährigen Jungen aus.
Nun kommt die Hausgemeinschaft ins Spiel. Ja, dort gibt es jemanden, der Spaß am Bügeln hat und sich sogar bereit erklärt hat, es mir beizubringen: Irene!
Schließlich haben wir uns zum ersten Mal getroffen. Bei ihr. Gleich haben wir uns das erste Hemd geschnappt, und sie hat mir sehr gut gezeigt, wie man es bügelt. Mit viel Mühe habe ich es nachgemacht, aber der Erfolg war eher beschränkt. Die Systematik hat gefehlt. Am Ende der ersten Stunde kamen wir zu dem Schluss, dass es methodisch keine gute Idee gewesen war, gleich mit einem Hemd angefangen zu haben.- Die zweite Stunde fand bei mir statt, und wir übten uns an einfacheren Dingen, wie Handtüchern oder T-Shirts. Erste Erfolgserlebnisse stellten sich bei mir ein!
In der dritten Stunde trauten wir uns wieder an das Hemd, was nun wesentlich erfolgreicher war. Irene zeigte mir die genaue Reihenfolge, in der ein Hemd zu bügeln ist, und ich schrieb mir in einer Liste die Reihenfolge auf. Daraufhin bügelte ich zwei Hemden anhand der Liste und siehe da, es klappte! In der Folge war ich dank Irenes Hilfe tatsächlich in der Lage, meine Hemden alleine zu bügeln, worüber auch meine Mutter sehr erleichtert ist.
An diesem Beispiel kann man sehr gut sehen, welche Vorzüge eine Hausgemeinschaft hat, und wie sehr Alt und Jung voneinander profitieren können! Ich bin mir sicher, dass ich mich irgendwann bei Irene revanchieren kann.
Großfamilie
Teresa Castro (Die Hausgemeinschaft im Pauluscarrée), 2016
Hausordnung
Gerhild Lenzen (Wohnprojekt Heisenbergweg), 2012
Gerda Wefelmeyer (stattVilla), 2012
Interkulturell
Bruni Scheibe (Die Hausgemeinschaft im Pauluscarrée), 2016
In den Leitlinien für unser Wohnprojektes haben wir u.a. formuliert: „Im Bewusstsein, dass uns auf diesem Weg schwierige Situationen, Meinungsverschiedenheiten und Konflikte begegnen können, verstehen wir uns als eine Gemeinschaft von Lernenden. Wir wollen das Gespräch suchen, Lösungen finden, mit denen alle gut leben können, gegebenenfalls auch mit professioneller Unterstützung“. Auch in Bezug auf „Interkulturelles Miteinander – Leben und Lernen“ werden wir uns, wenn notwendig und gewünscht, professionelle Hilfe holen. Entsprechende Kontakte zu Fachorganisationen sind vorhanden.
Aufgrund der in den letzten Jahren und Monaten erlebten Entwicklung im Flüchtlingsbereich ist es uns ein persönliches Anliegen und eine politische Verpflichtung, vorerst mindestens eine Wohnung an Flüchtlinge zu vermieten. Mit unserem interkulturellen Ansatz wollen wir zudem auch in das Quartier hinein wirken. Ich bin sehr gespannt, was sich in der eigentlichen Wohnphase dann praktisch entwickeln wird. Es könnten sein: spannende Begegnungen, gemeinsame Aktionen, Weltmusik, internationale Küche, viele Sprachen. Vor allen Dingen aber die Erkenntnis: interkulturell miteinander zu leben, kann bereichern und den Blick weit machen.
Kellerlädchen
Irene Küpper (stattVilla), 2016
Die Voraussetzungen, das Warenangebot und die Organisation des „Kellerlädchens“ sind schnell beschrieben. Voraussetzungen: Man braucht
• die Idee sowie eine Person oder zwei, die sie umsetzen,
• einen abschließbaren, kleinen Kellerraum, ein einfaches Regal, einen Tisch, eine Kassette mit Wechselgeld, Stifte und ein Schreibheft für die Buchführung.
Warenangebot: Es passt auf ein Regal:
• Honig von einem Bielefelder Hobbyimker
• Apfelsaft von Äpfeln aus der Region
• Kaffee, fair gehandelt aus Mexico (Vertrieb: Kolpingfamilie Bielefeld)
• Schokolade, fair gehandelt
• Kartoffeln vom Biobauern
• Riesling von einem Moselwinzer (privat und direkt geliefert)
• Marmeladen und Chutneys, eigene Herstellung aus verschiedenen stattVilla Küchen
• für Notfälle: Toiletten- und Küchenpapier, Papiertaschentücher
Organisation: Der personelle Einsatz für Einkauf und Kassenführung ist sehr gering. Wein, Apfelsaft und Kartoffeln werden ins Haus geliefert. Alle weiteren Waren werden in der Innenstadt per Fahrrad eingekauft. Der Einkauf im Kellerlädchen ist täglich rund um die Uhr möglich, weil jede/jeder der Hausgemeinschaft einen Schlüssel vom Lädchen hat.
Kreisgespräch
Bärbel Brinkhoff (Bielefelder Beginenhöfe e.V.), 2016
Kinderbetreuung
Erika Lueg (Wohnprojekt Heisenbergweg), 2012
Altersmäßig inzwischen zur „Großelterngeneration“ zählend betreue ich immer wieder mal ein einzelnes Kind. Wir spielen, singen, basteln und haben Spaß miteinander. Diese Kontakte fördern Verbundenheit und Vertrauen über die Generationen hinweg: Für mich eines der anregenden und bereichernden Elemente unserer Hausgemeinschaft.
Konflikte
Gerda Wefelmeyer (stattVilla), 2012
Dieter Lenzen (Wohnprojekt Heisenbergweg), 2012
Annedore Hof (stattVilla), 2012
Was machen wir?
• Wir versuchen, den Konflikt in seinen Anfängen zu erkennen.
• Wir sprechen ihn in der Hausversammlung an.
• Wir hören uns zu und nehmen uns ernst.
• Wir versuchen, uns nicht entmutigen zu lassen.
• Wir erinnern uns an das, was wir uns einst vorgenommen haben im Umgang miteinander.
• Wir versuchen einen Lösungsweg aufzuzeigen.
• Wir erkennen unsere Hilflosigkeit und Befangenheit.
• Wir nehmen Hilfe von außen in Anspruch in Form der Moderation oder Mediation oder Supervision.
• Wir lernen.
MiReDa
Bruni Scheibe (Die Hausgemeinschaft im Pauluscarrée), 2016
Interessierte erleben im Plenum, wie wir als Gruppe zusammenarbeiten, wie wir mit Konflikten umgehen und welche Themen behandelt werden. Sobald die Entscheidung auf beiden Seiten gefallen ist und die gestellten Bedingungen (d.h. die Mitgliedschaft im Verein, die Beteiligung an den Planungskosten und eine „grüne Ampel“ vom Finanzwächter *) erfüllt sind, gelten die neuen Mitglieder im Projekt als Gleichberechtigte. Sie sind in den internen Informationsfluss integriert und nehmen aktiv am Diskussionsprozess und an der gemeinsame Arbeit teil.
Im Konzept haben wir festgelegt, dass wir ein generationenübergreifendes Projekt sein wollen. Viele unterschiedliche Lebensformen sollten dabei sein, vor allen Dingen wollten wir Familien und Kinder. In den ersten Jahren bestand die Gruppe überwiegend aus Menschen um die 50, mehrheitlich waren wir Frauen in diesem Alter. Auch neue Interessierte gehörten häufig zu dieser Altersgruppe – und es waren oft Frauen. Um unserem Konzept gerecht zu werden, haben wir in dieser Phase auch Absagen erteilt und die Wohnungen nicht vergeben in der Hoffnung, jüngere Menschen und Kinder zu finden. Das war nicht immer leicht für uns, weil auch immer ein bisschen Angst dabei war: Schaffen wir es, finden wir die gewünschten Menschen am Ende wirklich?
Wir haben es geschafft: Junge Menschen und Familien kamen zu uns. Sie kamen später als erwartet, zu einem Zeitpunkt nämlich, als von dem Neubau schon etwas zu sehen war. Heute stellen wir fest: Zum Einzug am 1.10.15 ziehen sieben Familien, drei Paare, acht Einzelpersonen und eine Wohngemeinschaft in das Haus ein. Wir sind zwischen drei und 85 Jahren alt, d.h. vier Generationen werden zusammen wohnen. Unsere Nachbarinnen und Nachbarn kommen aus sechs unterschiedlichen Ländern.
Wir haben zur Vergabe von 24 Wohnungen ca. 120 Gespräche geführt. Ja, das ist ganz schön viel, doch die Arbeit hat mir Spaß gemacht. Überwiegend fand ich die Kontakte interessant und die Gespräche angenehm. Wir haben im Laufe der Zeit immer mehr Sicherheit bekommen in der Gesprächsführung, der Beurteilung und Bewertung.
Aktuell gehen wir in die Wohnphase. Konkret: Wir ziehen ein! – Neuerliche Wohnungswechsel werden deshalb nicht anstehen. Unsere MiReDa-Arbeit hat jetzt erst einmal viel Ruhe verdient.
*) Wir haben einen Vertrag mit einem Finanzberater abgeschlossen, der individuell überprüft, ob die/der Bewerber sich die Wunschwohnung heute und in Zukunft finanziell leisten kann. Der Finanzwächter informiert die Gruppe: grüne Ampel bedeutet, ja, finanziell möglich, rote Ampel geht leider nicht, gelbe Ampel geht evtl., wenn noch ein paar Bedingungen verändert werden können.
Nachbarschaft
Gerda Wefelmeyer (stattVilla), 2012
Das geht weiter beim ‚schwarzen Brett`, an dem verschiedene Bekanntmachungen veröffentlicht werden. Einladungen zu Theateraufführungen oder musikalischen Veranstaltungen, an der einzelne BewohnerInnen beteiligt sind, Anfragen zu gemeinsamen Unternehmungen oder Ähnliches werden ausgehängt und jede/r fühlt sich angesprochen.
Schon häufiger haben sich Situationen ergeben, in denen die nachbarschaftliche Hilfe gefragt war, sei es, weil ein passendes Werkzeug fehlte, die eigene Kraft vielleicht nicht reichte, um etwas alleine fertig zu stellen oder weil ein Auto mit größerem Kofferraum gebraucht wurde und der Nachbar Zeit hatte für den Transport.
Nicht vergessen sei die Tasse Kaffee oder Tee, die so en passant, ohne große Verabredung miteinander getrunken wird, weil es sich gerade so ergibt; oder das Gespräch über Rezepte, die schon ausgetauscht wurden, weil das gemeinsam eingenommene Essen so gut schmeckte.
Das Miteinander in der Projektgruppe klappt bisher wirklich gut, wobei ich nicht ausschließen kann und will, dass es auf einer ganz persönlichen Ebene vielleicht unterschiedliche Einschätzungen geben mag.
Nachmieter/Nachkäufer
Annedore Hof (stattVilla), Dieter Lenzen (Wohnprojekt Heisenbergweg), 2016
Bei allem Planen einer neuen Wohnform bzw. einer neuen Wohnung sollten wir die privaten Wünsche an Räume und ihre Ausgestaltung deshalb immer auch im Hinblick auf eine nachfolgende Vermietung sehen. Zu viele spezielle Wünsche verhindern bzw. erschweren oft die Weitervermietung/den Weiterverkauf. Das haben wir erfahren.
Nebenschauplätze
Annedore Hof (stattVilla), 2016
Ich will von drei Nebenschauplätzen erzählen, die in der stattVilla unter dem Aspekt der Begegnung Bedeutung gewonnen haben, bzw. noch mehr Bedeutung bekommen könnten.
Die Waschküche: In stattVilla ist sie klein, ein bisschen dunkel, aufgeräumt und sauber. Arglos und ahnungslos gehe ich mit meinem Wäschekorb hinein. Bin ich allein? Treffe ich noch jemand? Ich weiß es nicht. Es gibt keine Verabredung für diesen Ort. In der Zufälligkeit liegt der besondere Reiz der Waschküchenbegegnung. Eine Begegnung „auf dem Sprung“, im Stehen, zwischen zwei Maschinen. Nah und unausweichlich. Oft sind es Zweierbegegnungen, kurz und unverbindlich, aber manchmal ergibt sich ein Gespräch, eine bedeutende Nachfrage, weil der Ort so ist, wie er ist: geschützt, abseits der Hauptwege.
Das Treppenhaus: Das Treppenhaus ist halböffentlicher Raum: Raum zwischen dem Privaten und Öffentlichen. Kein Ort zum Niederlassen und Verweilen. Treppen verlangen von den Menschen nach einem Hinauf und Hinunter mit dem Ziel, eine Tür zu erreichen, die nach draußen oder die nach drinnen führt. Das Treppenhaus in stattVilla ist groß und klangvoll. Daran erinnert uns jeden Morgen pünktlich um 8.00 Uhr Leonard, bevor er das Haus verlässt, um in den Kindergarten zu gehen. Er stimmt sich ein – der erste Treppenhausklang am Morgen! Wunderbar! – Also doch ein Ort für Kurzweil, sogar für die gemeinschaftliche? Ja, unser Treppenhaus wird zum Treffpunkt für die Maibowle, den Chorgesang, den Willkommensgruß für die neuen Hausbewohner, für die weihnachtliche Klavier-und Flötenmusik…Wir holen Bänke, Hocker und Stühle herbei, auch Tabletts mit heißen und kalten Getränken, süßem und salzigem Gebäck. Ziehen das Klavier hinaus. Wir freuen uns auf ein Stündchen Treppenhausgemeinschaft, lauschen und plaudern und verschwinden wieder hinter unseren privaten Türen.
Der Laubengang: In unserem Haus gibt es davon drei. Einer erinnert mit einmeterfünfzig Breite und seinen siebenunddreißig Meter Länge an die Reling eines Kreuzfahrtschiffes. Zu schade, um nur Durchgang zu sein! Kinder entdecken zuerst, dass man hier auch Langstreckenlauf, Radfahren und Ballspiele veranstalten kann. Wir Erwachsenen haben bisher nur ein abendliches Laubengangbuffet servieren können. Doch auch für uns bietet dieser Laubengang noch viele Möglichkeiten: Es könnte ein Auftrittsort für einen Wanderchor oder wandernde Musiker sein. Warum nicht? Ein Ort für Schauspieler, die sich lediglich auf das Spiel ihrer Köpfe und ihrer Sprache konzentrieren und die Zuschauer auf dem Platz vor dem Haus damit erfreuen. Ein Ort für eine temporäre Espressobar. Ein Ort für einen Ausschank am Abend, für ein Frühstücksbuffet am Sonntagmorgen.
Und dann die vielen sportlichen Möglichkeiten, die sich für diejenigen ergeben, die wieder lernen müssen, sich zu bewegen. Auch dafür bietet der Laubengang einen überschaubaren Rahmen.
Öffentlichkeitsarbeit
Annedore Hof (stattVilla), 2012
• Postkarten mit kurzem Text und Hinweis auf die nächste öffentliche Infoveranstaltung: wenn sie gezielt eingesetzt werden, helfen sie, die Gruppe bekannt zu machen;
• Flyer: damit sind wir im Laufe geiziger geworden, sie gehen weg wie „warme Semmeln“, kosten uns viel Geld und bringen uns wenig Rückmeldung und keine Mitglieder;
• eigene website: sehr gute Wirkung in Bezug auf das Bekanntwerden der Gruppe, muss aber betreut und aktualisiert werden;
• Zeitungsartikel: Sie haben uns immer wieder sehr geholfen, neue Mitglieder zu gewinnen;
• Kinowerbung: sehr schön, sehr teuer, hatte aber für uns keine konkrete Wirkung;
• Informationsveranstaltungen als Einzelveranstaltungen: haben eine gute Wirkung, wenn sich Gespräche anschließen;
• Informationsveranstaltungen auf vier Abende verteilt zu Themen wie „gemeinschaftliches Wohnen“, „Architektur“, „Finanzen“, „Rechtsformen“: gute Wirkung, weil anschließend große Gesprächsbereitschaft;
• Informationsveranstaltung mit Architekt und Investor: gute Resonanz, weil solide Grundlage ersichtlich;
• Infostände in der Stadt, auf Märkten, bei Bauausstellungen, Immobilientagen: dienen dem Bekanntwerden der Projektgruppe;
• für alle Informationsveranstaltungen ist es wichtig, gute Infos zur Gruppe, zur Architektur, zum gemeinschaftlichen Wohnen u.a. als Wandzeitung, Plakat in guter Gestaltung anzubieten. Methodisch bewährt haben sich verschiedene Sprecher zu einzelnen Themen.
• Fahrten zu anderen Wohnprojekten: hatten eine sehr gute Wirkung. Dafür haben wir gezielt Interessenten eingeladen.
• Bekannte und Freunde über das Projekt informieren und gezielt werben. Das hat bei uns zu keinen neuen Mitgliedern geführt.
Wir haben viel Geld und viel Zeit für die Öffentlichkeitsarbeit gebraucht. Wir sind damit in Bielefeld bekannt geworden. Mitglieder haben wir dadurch nur langsam gewonnen. Aber vielleicht ist die Zeit für solche Projekte erst jetzt gekommen. Denn nun machen wir keine Öffentlichkeitsarbeit mehr, bekommen aber viele Nachfragen.
Politik und Wohnprojekte
Annedore Hof (stattVilla), Dieter Lenzen (Wohnprojekt Heisenbergweg), 2016
• Die zukünftigen Bewohnerinnen und Bewohner wollen selbst starken Einfluss auf die konkrete Gestaltung ihrer Wohnsituation nehmen (Partizipation). Sie hoffen, dass ihre individuellen Wünsche berücksichtigt werden. Sie arbeiten darauf hin, dass sich in ihrem Wohnprojekt ein gemeinschaftliches Leben entwickelt.
• Die zukünftigen Bewohnerinnen und Bewohner wissen, dass neue städtische Wohnbauten nicht umhin kommen, auf den demographischen Wandel, die Einwanderung, den Wandel der Lebensentwürfe und der sozialen Rituale zu reagieren. Sie sind bereit, in diesem Prozess Verantwortung zu übernehmen und ihn mitzugestalten.
Würde die Politik den Fokus verstärkt auf gemeinschaftliche und kollektive Aspekte des Wohnens legen, so könnte dies zu einem grundlegenden Umbau nicht nur der sozialen, sondern auch der architektonischen und urbanen Strukturen führen. Die offizielle Wohnungspolitik, die Wohnungsbaugesellschaften und die privaten Investoren sollten bereit sein, neue Modelle auszuprobieren – Modelle wie sie u.a. von den freien Wohnprojekten entwickelt werden.
Projektphasen
Dieter Lenzen (Wohnprojekt Heisenbergweg), 2012
Wenn sie vielmehr darauf achtet,
• dass Projektphasen unterschieden werden („Findungsphase“, „Vorbereitungsphase“, „Bauphase“…),
• dass produktorientiert gearbeitet wird (Programmatik aufzeichnen, Modelle bauen, Gruppenleben entwickeln),
• dass abwechslungsreiche Arbeitsformen genutzt werden (Plenum, Arbeitsgruppe, Planspiel, Exkursion),
• dass deutliche Zäsuren gesetzt werden (Diskussionen abschließen und zusammenfassen, Feste feiern, neue Zwischenziele benennen).
Es wird nicht die ganze Gruppe sein, die auf solche Punkte immer achten kann. Einige Leute aber sollten es sein, die in diesem Sinn den Projektverlauf „managen“ – behutsam und ganz ohne Managerallüren!
Quartier
Gerhild Lenzen (Wohnprojekt Heisenbergweg), 2012
Nach dem Einzug waren es vor allem die Kinder, die Kontakt zu den Nachbarkindern und deren Eltern aufgenommen haben. Zu unserem Einweihungsfest sind viele Nachbarn gekommen. Sie interessierten sich für das Gebäude und die Gemeinschaftsräume.
Die beiden Quartiersplätze des Viertels werden von den hier lebenden Bewohnern, insbesondere von den Familien, gut genutzt. Es werden u.a. Flohmärkte, Nikolausfeiern, Sommerfeste organisiert, mit uns gemeinsam.
Wir haben das Gefühl, dass unser Wohnprojekt von allen gut angenommen wird. Besonders das Mehrfamilienhaus uns gegenüber bezeichnen wir als unsere „Dependenz“.
Die Bewohner nehmen z.B. auch an unseren Geburtstagsfeiern teil und helfen sogar beim Bau unserer Fahrradschuppen. Es sind Freundschaften entstanden.
Gerda Wefelmeyer (stattVilla), 2012
Marie-Pascale Gräbener (Wohnprojekt Heisenbergweg), 2012
Die Idee zu diesem Kinderatelier hatte eine Nachbarin. Sie wollte gerne, dass ihre Tochter einen Kunstkurs mitmacht, ohne dass es viel Aufwand dafür gibt. So war die Idee geboren, hier im Viertel eine Kinderkunstgruppe zu gründen. Die Kinder kommen morgens alleine durch den Garten oder gerade ums Eck.
Ab 12.00 Uhr ergibt sich oft noch ein gemeinsames Spielen oder ein gemeinsames Mittagessen in einer der Nachbarwohnungen. Ganz ohne Planung und wie es gerade so kommt und die Bedürfnisse sind. Das ist für alle sehr entspannend.
Dietlind Wild (Wohnprojekt Heisenbergweg), 2012
Ein schöner Anlass war das Nikolausfest. Am Vormittag goss es in Strömen bei peitschendem Wind. Wie sollte da gefeiert werden? Man hätte nicht einmal mehr ein Zelt aufbauen können. Aber wir hatten gerade die Ständer und das Dach unseres riesigen Fahrradschuppens fertig gebaut und konnten somit für das Fest ein Unterkommen anbieten. Die OrganisatorInnen waren begeistert und zauberten innerhalb kurzer Zeit mit schützenden Außenplanen, Bierzeltgarnituren, Kissen und Wolldecken und vor allem wunderschönen Lichternetzen eine ausgesprochen gemütliche Atmosphäre, die das Sauwetter nicht nur vergessen ließ, sondern sogar vertrieb, so dass der Nikolaus seine Geschenke neben dem Feuerkorb und Grill unter freiem Himmel verteilen konnte. – Wir werden öfter zusammen feiern im Quartier.
Raumangebot
Dieter Lenzen (Wohnprojekt Heisenbergweg), 2012
• Zuerst haben wir alle Vorschläge für die gemeinschaftlichen Räume gesammelt.
• Im nächsten Schritt haben wir dazu Meinungsbilder erhoben. Es entstand eine erste Auswahl.
• Diese Auswahlliste wurde von allen mit einem Votum versehen und kommentiert.
• Zusammen genommen ergab das ein sehr umfangreiches Papier – Überblick über alle Voten und Begründungen.
Dieses Papier diente als Diskussion und Entscheidungsgrundlage. Die Entscheidung war am Ende einfach und einvernehmlich. In unserem Falle: Für einen Gemeinschaftsraum, für einen Sport- und Saunaraum, für eine Werkstatt, für den gemeinsamen Garten und die Dachterrasse.
Sitzungsleitung
Christina Buchmann (Die Hausgemeinschaft im Pauluscarrée), 2012
Und so sind wir froh, dass Petra zuerst mit uns Punkte sammelt, die an diesem Abend besprochen werden sollen, dass sie darauf achtet, dass wir alle Punkte in der vereinbarten Zeit behandeln und dass sie die Hand hebt, „Stopp“ ruft und sortiert, wenn mal wieder alle gleichzeitig was Tolles zu sagen haben. Bis jetzt nimmt immer Petra die Gesprächsleitung in die Hand, wächst immer souveräner in die Rolle – und vielleicht werden Rollen auch mal getauscht.
Gerda Wefelmeyer (stattVilla), 2012
Spiritualität
Sigrun Hohlfeld (Bielefelder Beginenhöfe e.V.), 2012
Dabei hilft uns unsere Spiritualität. In Ritualen verbinden wir uns als Gruppe neu, wir verabschieden das Alte und begrüßen das Neue, wir danken.
Schon bei den ersten Arbeitstreffen unserer damaligen Initiative war es uns wichtig, vor Beginn der Sacharbeit innezuhalten und uns miteinander zu verbinden, eine tragende Basis für das gemeinsam zu erarbeitende Thema zu erschaffen. Schon bald danach kreierten wir das bis heute gültige Begrüßungsritual.
Bei jedem Treffen sitzen wir im Kreis – die Kreisform verbindet – Tische schaffen von vornherein Distanz. Die Begrüßung wird jedes Mal von einer anderen Frau übernommen. Diese gestaltet im Mittelpunkt des Kreises eine inspirierende Mitte. Sie begrüßt uns auf ihre ganz persönliche Art und Weise. Dies kann ein besinnlicher oder auch erheiternder Text sein, angeleitete Meditation, Singen oder Tanzen usw. So entsteht zum einen die Möglichkeit, die Frauen in ihrer Unterschiedlichkeit kennen zu lernen, zum anderen schafft das Ritual Verbindung unter den Teilnehmerinnen, wie auch zu dem Großen Ganzen.
Wir Bewohnerinnen sind zwar alle unterschiedlich, aber den meisten von uns ist Spiritualität wichtig. Dieses kann durchaus für jede Frau etwas Anderes – etwas Eigenes bedeuten, aber es gibt sie und sie spielt im Leben von uns und im Miteinander eine zentrale Rolle.
Spiritualität hat uns auf dem zehnjährigen Entstehungsweg des Frauenwohnprojektes begleitet und maßgeblich dazu beigetragen, nicht vorzeitig aufzugeben. Heute hält sie unsere Gemeinschaft im Inneren zusammen. Sie findet ihren Ausdruck im Alltag, im achtsamen Umgang miteinander, in gegenseitiger Unterstützung, in der Wertschätzung der Unterschiedlichkeit jeder Frau und deren Fähigkeiten, bei gemeinsamen Aktivitäten und bei Festen und Feiern. Spiritualität ist die Basis unserer Gemeinschaft.
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Irene Küpper (stattVilla), 2012
Ich wohne in einer Reihenhaussiedlung und freue mich sehr auf unsere stattVilla-Hausgemeinschaft, wenn wir ab April 2011 in 14 Wohnungen unter einem Dach wohnen. Dann endlich, so stelle ich mir das vor, steht mein Fahrradanhänger, wenn ich ihn nicht zum größeren Einkauf brauche, nicht nur im Keller rum. Dann wird er vielleicht auch von Claudia, Fabian, Ingrid oder Heiner – den Fahrradfahrern – gebraucht.
Anke, Annedore, Claudia und ich haben uns eine neue (mit allen ökologischen Extras ausgestattete) Waschmaschine ausgesucht und bestellt, die im gemeinsamen Waschkeller stehen wird, und die wir uns teilen wollen. Mit Annedore lese ich aus einer Tageszeitung und ich gehe davon aus, noch eine Drittleserin bzw. einen Drittleser im Haus zu finden. Ich bin gespannt darauf, wer mit wem und mit welchem Gerät sich noch zu weiteren TLT = Teile-Leihe-Teams zusammen findet.
Pika Schauf (Wohnprojekt Heisenbergweg), 2012
Auch andere Hausbewohner leihen sich gern mal das Auto. Sie notieren ihre Fahrten ebenfalls im Fahrtenbuch und zahlen 30 ct pro Kilometer in unsere Kasse. Aus drei Gründen bin ich sehr froh über unser Car-Sharing: Mein Auto steht nicht ungenutzt rum, obwohl ich es nur selten benötige, es steht für mich bequem direkt vor der Haustür und ich habe nur die Hälfte der Kosten.
Verwaltung
Dieter Lenzen (Wohnprojekt Heisenbergweg), 2012
Jetzt, nach dem Abschluss der Bauphase, geht unser Hausverwalter langsam dazu über, nur noch seinen eigentlichen Job zu machen. Er regelt nämlich die Verwaltung des Gemeinsamen Wohnens, d.h. er fertigt Jahresendabrechnungen für die einzelnen Haushalte an, er begleicht Gesamtrechnungen, er vereinbart die Höhe von Abschlagszahlungen, begleitet einen ersten Wohnungswechsel, bringt dringende Themen in die Hausversammlung ein und ist der erste Ansprechpartner für Handwerker, die notwendige Reparaturen erledigen wollen. Auch in diesem reduzierten Arbeitsmodus wirkt unser Hausverwalter, der natürlich ein Honorar bekommt, deutlich kostendämpfend.
Vereinbart war dabei allerdings schon immer, dass wir uns als Wohngruppe mit den Problemen der Selbstverwaltung befassen und in den regelmäßig stattfindenden Hausversammlungen mitarbeiten. Wir als Wohngruppe – dazu zählt seine Frau, die berät, hilft und Verständnis hat, wenn er bis tief in die Nacht über Excel-Tabellen brütet – wir alle sind als Wohnprojektler aufgefordert zu unterstützen und mitzugestalten. Wir schreiben, wenn nötig, die Protokolle gemeinsamer Sitzungen, sprechen Termine zur Wartung des Fahrstuhls ab, sind bei Beratungsgesprächen mit Handwerkern dabei oder fahren schon mal zum Baumarkt. „Warum nimmst du das eigentlich Alles auf dich?“ frage ich Heiner. Kurze Wege, direkte Kommunikation, sagt er. Möglichst viel selber machen, Eigeninitiative bewahren, das sei wichtig. Es mache ihm außerdem Spaß, Übersichten zu erstellen, Konflikte mit Ämtern oder Betrieben auszustehen und Vorschläge für die Projektgruppe vorzubereiten. „Ich bekomme viel Anerkennung“. “Ich kenne viele aus dem Haus mit ihren persönlichen Eigenarten“, „Ich bin gut verankert im Zusammenleben des Wohnprojekts“.
So viel erfahre ich zum Thema „Selbstverwaltung“ von Heiner. Er hat gerade keine Zeit, selbst ein paar Zeilen über „Selbstverwaltung“ zu schreiben. Ich übernehme das gerne, als Nachbar. Wie gesagt: Kurze Wege, schnelle Kommunikation!
Zusammenarbeit
Bruni Scheibe (Die Hausgemeinschaft im Pauluscarrée), 2012
Zusammenbleiben ist ein Fortschritt
Zusammenarbeiten ist ein Erfolg
(Henry Ford)
Der Beginn ist gemacht, wir sind zusammen gekommen und haben beschlossen, zusammen zu bleiben, um zusammen zu arbeiten – an einem generationsübergreifenden, gemeinschaftlichen, selbstorganisierten Wohnprojekt. Durch die konkrete Zusammenarbeit lernen wir uns kennen. Wir befinden uns im Prozess, das Projekt entwickelt sich, wir entwickeln uns. Jede/jeder für sich, wir gemeinsam. Nach dem Motto: Alleine addiert man, gemeinsam multipliziert man.
Uns beschäftigen Fragen wie:
• welche Wünsche und Vorstellungen haben wir an Gemeinschaft, Standort, Architektur, die eigene Wohnung usw.
• welche Fähigkeiten sind vorhanden?
• wie arbeiten wir in der Gruppe zusammen? Diskussionskultur, Fairness, Respekt, ohne Konkurrenz, praktische Vereinbarungen und Techniken zur Klarheit und Vereinfachung der Zusammenarbeit?
• wie kommen wir zu Entscheidungen?
Wir sind noch nicht vollständig, wir suchen noch „Mitmacher“, Mitglieder. Das heißt auch, der Prozess setzt sich fort, die Diskussion setzt sich fort. Wir sind uns im Klaren darüber, dass wir immer wieder aushalten und zulassen müssen (wollen), über Dinge die (schon) feststehen/feststehen zu scheinen (noch mal) zu diskutieren, um alle Gruppenmitglieder „mitzunehmen“, und dass neue/alle Aspekte einfließen können. Wir wollen daran arbeiten, dass für alle Mitglieder ein tragbarer Kompromiss gefunden wird. In der Gruppe schaffen wir das sehr gut. Das ist ein gutes Anfangskapital, ein gutes Fundament, auf das wir aufbauen können, das wir neuen Mitgliedern anbieten wollen.