Aktuelle Kosten- und Finanzierungssituation eines Wohnprojekts

Auszüge eines Interviews mit Klaus Beck, Architekt in Bielefeld, geführt am 08.12.2022

Die Klientel selbstorganisierter Wohnprojekte hat zu einem erheblichen Teil eingeschränkte finanzielle Ressourcen. Dies ist zum einen häufig einem bewussten und erwünschten Bewohner-Mix geschuldet, um auch finanziell Schwächeren das Wohnen in dieser Form zu ermöglichen. Zum anderen gibt es meist einen relativ hohen Anteil alleinstehender (älterer) Frauen mit eingeschränkter Erwerbsbiografie und dementsprechender Altersversorgung, die Interesse an dieser Wohnform haben. Aus diesem Grund sind geförderte Wohnungen von besonderem Interesse. Einige realisierte Projekte bieten einen Mix aus geförderten und freifinanzierten Mietwohnungen sowie Eigentumswohnungen.

Weil die staatliche Förderung nicht ausreicht, um auch für finanziell Schwache eine erschwingliche Miete zu realisieren, wurde in der Praxis oft eine finanzielle Unterstützung der geförderten durch frei finanzierte Wohnungen vereinbart. Bis zum Jahr 2021 funktionierte dieses Modell einigermaßen – vor dem Hintergrund extrem niedriger Bauzinsen. In 2022 aber stiegen diese erheblich – das führt aktuell u.a. zu Bauverzögerungen und Stopp von Bauvorhaben. Die erheblich geringere Zahl an gebauten Sozialwohnungen gegenüber den erklärten politischen Zielen zeigen diesen Trend deutlich.

Das große Dilemma: heute kann man bezahlbare Neubauwohnungen nicht mehr realisieren, außer man kalkuliert mit Mieten in Höhe von ca. 14 EUR/m².

In einer Zeit, in der die Schere zwischen Arm und Reich immer weiter auseinandergeht, geht es mehr denn je um Ausgleich und Umverteilung. Wenn Gesetze dies unzureichend berücksichtigen, kommt es darauf an (so Klaus Beck), dass das Solidarprinzip auf freiwilliger Basis stärker in den Fokus rückt. Die Generation der jetzt 50 bis 70-Jährigen, die ein besonderes Interesse an selbstorganisiertem Wohnen hat, hat häufig geerbt – und ist deshalb in der Lage, Schwächere zu unterstützen. Weiterhin sollte stärker eine sehr langfristige Finanzierung in den Blick genommen werden. Kredite mit (fast) null Tilgung führen dann zwar zu sehr langen Laufzeiten; aber die nachfolgende Generation sollte durchaus auch mit belasteten Immobilien zufrieden sein, immerhin wird ja in der Regel ein großer Wert vererbt.

Weiterhin kann man verstärkt auf die Suche nach Mäzenen gehen, die diese zukunftsträchtige Wohnform und deren einkommensschwache BewohnerInnen fördern.

Schließlich sollten Initiativgruppen auch den Anspruch an den Standort herunterschrauben. Bisher wurden Wohnprojekte in eher privilegierten Lagen realisiert. Wenn dagegen Stadtteile in den Fokus geraten, die bisher z.B. durch weniger gute Infrastruktur eher nicht in Frage kamen, ist nicht nur mit deutlich geringeren Grundstückspreisen zu rechnen. Wohnprojekte in solchen Lagen verbessern dort mittel- und langfristig die Lebensqualität.

Zum Schluss empfahl Klaus Beck im Hinblick auf kreative Finanzierungsmöglichkeiten den Kontakt zu alternativen Finanzinstituten suchen z.B. zur GLS Bank oder zur Umwelbank. Möglicherweise gebe es auch an Universitäten Forschungsschwerpunkte zum Thema Finanzierung von Gemeinschaftsprojekten.