Kooperation zwischen Wohnprojektgruppe und Architekt*in
Auszüge eines Interviews mit Klaus Beck, Architekt in Bielefeld, geführt am 08.12.2022
Zunächst einmal gibt es am Anfang ja nicht ‚die Gruppe’, sondern nur einige Leute, die eine anfängliche Initiative bilden. Sie sind ambitioniert, stehen oft der ‚alternativen Szene’ nahe, wollen etwas Gemeinsames und haben gleichzeitig sehr individuelle Ansprüche. Wohnprojekte agieren immer im Spagat zwischen Individualität und Gemeinschaftlichkeit; das ist am Anfang vielleicht noch kaum sichtbar, wird im Prozess des Bauens später aber immer bedeutsamer. Die Initiativgruppen haben zu Beginn in der Regel noch keine Rechtsform und suchen die Beratung eines Architekten (möglichst umsonst).
Sie brauchen am Anfang dreierlei:
– eine Idee,
– einen Standort
– und Kapital.
Am Anfang sind gewöhnlich nicht alle drei Dinge garantiert; man hat z.B. schon eine erste Idee, vielleicht auch etwas Kapital aber noch keinen Standort.
Die anfängliche Idee kreiert die Gruppe. Sobald sich ein Standort abzeichnet, wird die Sache schon konkreter. Jedes Projekt sollte bei der Entscheidung für ein Grundstück eine/n Fachkundige/n hinzuziehen, die/der beurteilen kann, ob sich das Grundstück eignet (Standortanalyse: Bebaubarkeit, Anzahl möglicher Wohnungen, baurechtliche Fragen, Altlasten, Nachbarschaft, Infrastruktur). Dies gilt sowohl für Neubauten als auch für Altbauten.
Die/Der Fachkundige ist gewöhnlich eine Architektin/ein Architekt. Architekt*innen sind Treuhänder des Bauträgers (d.h. der Kapitalseite). Sie vermitteln als Fachleute z.B. auch gegenüber Handwerkern, gegenüber dem Bauträger etc.. Meist haben die Bauträger auch Architekten, mit denen sie gerne zusammenarbeiten. Eine Eigentümergemeinschaft kann den Architekten frei wählen.
Aber auch sonst können Architekten auf Empfehlung hin gesucht und gefunden werden. Sie müssen nicht unbedingt den ganzen Projektprozess betreuen, sie sind kündbar. Sie können auch für nur eine bestimmte Phase ausgewählt werden, z.B. für die Phase der Grundstücksbeurteilung.
Die Beratung eines Architekten muss bezahlt werden. Initiativgruppen sollten sich schon am Anfang – sie sind ‚gefühlt’ gern ‚arme Leute’ – auf Kosten einstellen und evtl. Geld vorweg auf ein Gemeinschaftskonto einzahlen, um entstehende Kosten begleichen zu können. (Damit wird auch ein Stück Verantwortung übernommen).
Wichtig ist, dass der Gruppe von Anfang an klar ist: Es wird beim Planen und Bauen um einen längeren, kooperativen Prozess gehen, der sehr unterschiedliche Phasen durchlaufen kann, z.B.:
– eine anfängliche Phase der Euphorie,
– eine Phase in der Konflikte entstehen, Wünsche nicht erfüllt werden können und pragmatisches Denken notwendig wird,
– eine Phase in der Kompromisse geschlossen und – wenn es schlecht läuft – nach Schuldigen gesucht wird.
Es sollte ein Prozess sein, der von wechselseitigem Vertrauen getragen wird, der transparent und offen ist, auch wenn er konflikthaft wird. Eine Moderatorin/ ein Moderator muss nicht unbedingt von Anfang an dabei sein. Er/ sie kann in Konfliktphasen hinzugezogen werden. Wichtig aber ist, dass der Gruppe schon am Anfang klar wird: Wir werden hoffentlich gut kooperieren, aber es ist nicht unwahrscheinlich, dass wir auch in Konflikte kommen. Planen und Bauen sind (auch) soziale Prozesse. Sie erfordern soziale Kompetenz auf allen Seiten.